Die Bauforschung in Marburg hat sich über inzwischen mehr als 40 Jahre entwickelt.
Das Jahr 1984 markiert dabei ein abgeschlossenes erstes Jahrzehnt Marburger Bauforschung und zugleich einen grundlegenden Wandel in deren organisatorischer Struktur.
Wurden seit 1973 von heutigen Mitarbeitern des Instituts zunächst nur bodenarchäologische Untersuchungen im Stadtkernbereich durchgeführt, die dabei dem fortschreitenden Ausbau der Fußgängerzonen und der Gebäudesanierung folgten, so stellte sich bald heraus, daß die Bodenarchäologie ohne Berücksichtigung der aufgehenden Gebäudesubstanz auf ein wesentliches Quellenmaterial verzichten mußte, zumal viele Funde und Befunde in ihrem Alter den noch existierenden Gebäuden gleich kamen.
Schon 1974 wurden daher Modelle entwickelt, um archäologische Untersuchungsmethoden auf die Häuser zu übertragen, wobei sich schnell sowohl die in der Archäologie erprobten Verfahren der Freilegung von Befunden als auch deren Dokumentation als hervorragend geeignet für aufgehende Fachwerk- und Mauerwerkssubstanz erwiesen. Die ersten Fachwerkhäuser wurden auf dieser Grundlage 1975/76 systematisch untersucht. Dabei zeigte sich, daß vom Untersuchungsgegenstand her eine interdisziplinäre Zusammenarbeit unumgänglich war: Die Kombination unterschiedlicher wissenschaftlicher Disziplinen erst ermöglichte es, ein Gebäude umfassend als historische Quelle zu erschließen. So gründeten 1976 ca. 10 junge Wissenschaftler, damals noch als Studenten, aus den Fachgebieten Archäologie, Kunstgeschichte, Geschichtswissenschaft, Medizingeschichte, Stadt- und Siedlungsgeographie, Volkskunde und Sozialgeschichte die „Marburger Arbeitsgruppe für Bauforschung und Dokumentation“, die im Auftrag der Stadt Marburg die sanierungsbegleitende Bauforschung durchführte. Organisatorisch waren damals alle Mitglieder der Arbeitsgruppe auch Mitarbeiter der Unteren Denkmalschutzbehörde der Stadt, wodurch eine Bezahlung der durchgeführten Arbeiten aus dem städtischen Haushalt möglich wurde. Hinzu kamen schon bald ähnliche Untersuchungen in anderen hessischen Gemeinden im Auftrag der dortigen Sanierungs- bzw. Denkmalschutzbehörden und zum Teil bereits des Hessischen Landesamtes für Denkmalpflege.
In den Jahren von 1976 bis 1985 wurden von der Arbeitsgruppe in Marburg weit über 150 Häuser untersucht und daneben viele archäologische Grabungen im Stadtbereich durchgeführt. Umfangreiches Planmaterial, ein Fotoarchiv und eine Sammlung von Ausstattungsgegenständen aus den untersuchten Gebäuden sind materielles Resultat der Forschungen dieser Jahre. Seit 1979 wurden die Ergebnisse in Publikationen veröffentlicht, die zunächst als Begleithefte zu Ausstellungen erschienen und seit 1983 in der Reihe „Marburger Schriften zur Bauforschung“.
Da sich im Laufe der Zeit herausgestellt hatte, daß wissenschaftlich fundierte und zugleich effiziente Bauforschung sowohl personelle, als auch organisatorische Kontinuität voraussetzt, entschlossen sich die Mitglieder der Arbeitsgruppe Ende des Jahres 1984, ihrer bis dahin eher informellen Struktur eine neue Organisationsform zu geben. Sie sollte einerseits gewährleisten, daß die über Jahre geschulten Mitarbeiter weiterhin zusammenarbeiten konnten, andererseits mußte sie geeignet sein, die bisher von der Arbeitsgruppe durchgeführten Forschungen weiterzuführen, die Ergebnisse aufzuarbeiten und zu publizieren. Darüber hinaus sollte ein Forum für den Gedankenaustausch innerhalb des noch relativ jungen Wissenschaftszweiges der Bauforschung geschaffen werden, das der Vermittlung der Forschungsergebnisse und der Verfeinerung der bauarchäologischen Forschungsmethoden dienen konnte. Zu diesem Zweck wurde im Dezember 1984 das „Freie Institut für Bauforschung und Dokumentation e.V. (IBD)“ gegründet.
Das IBD arbeitet seit Anfang des Jahres 1985 bis zur Gegenwart in der damals gewählten Organisationsform. Mit zeitweise mehr als 20 Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen gehörte es immer zu den größten Institutionen auf dem Gebiet der Bauforschung und Bauarchäologie in Deutschland und dem angrenzenden Ausland.
Neben dem Hauptsitz in Marburg wurde 1990 die „Forschungsstelle Limburg/Lahn“ im Hause Römer 2-4-6 von 1289, dem ältesten Fachwerkhaus Hessens, in Betrieb genommen, um die Arbeiten an diesem Forschungsschwerpunkt für mittelalterliche Fachwerkbauten unmittelbar vor Ort dokumentieren zu können.
Bereits seit Ende 1989 ist das IBD über den bisherigen Tätigkeitsbereich hinaus schwerpunktmäßig in Thüringen tätig und ebenso seit 1990 in Sachsen-Anhalt. Hinzu kommen Untersuchungen ausgewählter Objekte in Rheinland-Pfalz, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen sowie dem benachbarten Ausland.
Seit Gründung des Instituts 1985 sind meist im Rahmen von Sanierungsmaßnahmen jährlich durchschnittlich ca. 50 Gebäude und Grundstücke und damit inzwischen mehr als 1200 Objekte in vielen Städten und Gemeinden dokumentiert und untersucht worden. Der Schwerpunkt liegt dabei auf Gebäudeuntersuchungen, während archäologische Forschungen etwa ein Drittel der Gesamtmaßnahmen ausmachen.
Auftraggeber waren und sind zumeist Untere Denkmalschutzbehörden und die Denkmalfachbehörden, aber auch freie Architekten und kommunale Bauämter. Das Spektrum der behandelten Bauten reicht von Kirchen, Burgen und Schlössern bis zu Bürger- und Bauernhäusern des Mittelalters und der Neuzeit in Massivbauweise oder Fachwerk, von kleinen technischen Anlagen wie Brunnen und Pumpwerken über Mühlen und Gewerbebauten bis zu Kraftwerken und lndustrieanlagen.
Die an einem Objekt untersuchten Bereiche umfassen dabei im Idealfall die Dokumentation und Analyse der Konstruktion, die Untersuchung der historischen Ausstattungen ebenso wie archäologische Ausgrabungen, und schließen auch die historischen Schrift- und Bildquellen mit ein. Orientiert an den Anforderungen des jeweiligen Untersuchungsobjektes und entsprechend der jeweiligen Aufgabenstellung, werden komplette, alle diese Bereiche umfassende Untersuchungen durchgeführt, Arbeiten in abgegrenzten Teilbereichen oder auch orientierende Kurzuntersuchungen.
Im Bereich der Dokumentation werden Inventare erarbeitet, so konnte 2008 ein Großinventar der rheinischen Braunkohlenindustrie abgeschlossen werden, und ist nun die Topographie „Marburg I“ in Arbeit.
Bei methodisch und/oder inhaltlich besonders ertragreichen Untersuchungen wird in der Regel versucht, die Ergebnisse in angemessener Form zu veröffentlichen.
Seit Gründung des Instituts 1985 sind meist im Rahmen von Sanierungsmaßnahmen jährlich durchschnittlich ca. 50 Gebäude und Grundstücke und damit inzwischen mehr als 1500 Objekte in vielen Städten und Gemeinden dokumentiert und untersucht worden.